Ilkay Gündogan ist Deutschlands erster Captain mit Migrationshintergrund. Nicht von allen wird er akzeptiert. Und genau deshalb hofft er, das Land durch seine Rolle in eine neue Ära zu überführen.
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- Ilkay Gündogan ist der erste Captain der deutschen Nationalmannschaft mit Migrationshintergrund.
- Gündogans Karriere und seine Erfahrungen zeigen, wie Integration und Erfolg miteinander verbunden sind. Seine Eltern legten grossen Wert auf die Anpassung an die deutsche Kultur.
- Als Captain will Gündogan authentisch und unterstützend führen, und er sieht seine Rolle auch als gesellschaftliche Verantwortung.
Gündogan, geboren in Gelsenkirchen als Sohn türkischer Einwanderer, wird die deutsche Nationalelf als erster Captain mit Migrationshintergrund anführen. Eine Tatsache, die in der aktuellen politischen Landschaft Deutschlands durchaus brisant ist. In einer WDR-Umfrage gaben 21 Prozent der Befragten an, sich mehr weisse Spieler im Nationalteam zu wünschen. 17 Prozent bedauerten, dass der Captain türkische Wurzeln hat. Für Gündogan kam diese Reaktion nicht überraschend: «Wenn man die politischen Entwicklungen der letzten Monate und Jahre sieht», kommentiert er in einem Interview mit dem Spiegel nüchtern.
«Wir sehen vielleicht anders aus, aber wir sind auch deutsch.»
Umso mehr sieht sich Gündogan grosser Verantwortung ausgesetzt, worauf er aber auch sehr stolz ist. «Es ist ein schönes Gefühl, Schwarz-Rot-Gold als Captainbinde am Arm tragen zu dürfen», erklärt er. Die Ernennung durch Hansi Flick und die Bestätigung durch Julian Nagelsmann bedeuten ihm viel, doch er betont, dass seine Herkunft dabei gar nie eine Rolle gespielt habe: «Ich bin ja nicht Captain geworden, weil ich einen Migrationshintergrund habe. Es geht darum, wie mich Mitspieler und Trainer sehen.»
Gündogan ist sich aber durchaus bewusst, dass seine Rolle mit diesem neuen Amt weit über den Fussball hinausgeht. Er repräsentiert eine neue Realität in Deutschland, ein Land, in dem fast 30 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben. «Wir sehen vielleicht anders aus, aber wir sind auch deutsch», sagt er.
Deutschland, wie es für Gündogan immer war
Womit sich rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung noch immer schwer tut, ist für Gündogan seit seiner Kindheit Normalität. Der 33-Jährige wuchs in einem multikulturellen Umfeld auf, das diverser nicht hätte sein können. «Wir haben nachmittags auf Asphaltstrassen gekickt und auf Garagentore gebolzt. Da waren 15, manchmal 20 Kinder mit ganz unterschiedlichen Herkünften. Deutsch, aber auch arabisch, türkisch, asiatisch. Das ist das Deutschland, in dem ich aufgewachsen bin.»
Seine Eltern legten grossen Wert auf Integration, ohne die eigene Kultur zu vergessen. «Es ging darum, dass primär wir uns an die deutsche Kultur angepasst haben – nicht nur bei der Sprache, sondern auch bei vielen Ritualen.» Gündogan hebt dabei die schönen Erinnerungen an die Weihnachtszeit hervor. Ein Fest, das Muslime nicht feiern, für ihn aber immer etwas «sehr Schönes» boten.
Authentisch in eine neue Zukunft
Gündogans Karriere ist ein Beweis dafür, dass Integration und Erfolg Hand in Hand gehen können. Trotz Herausforderungen und Kritik. Insbesondere nach dem umstrittenen Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, hat er sich stets bewiesen und wurde für seine Zielstrebigkeit schliesslich mit dieser neuen Rolle belohnt. «Da habe ich mir gesagt: Du gibst nicht einfach auf. Du musst dich jetzt beweisen, auch als Charakter.»
Als Captain möchte Gündogan authentisch führen. «Besonders die jüngere Generation hat heute mehr Respekt vor dir, wenn du authentisch bist. Sie ist viel smarter, als wir das früher waren,» erklärt er. Sein Führungsstil ist analytisch und unterstützend, nicht autoritär.
Mit Blick auf die bevorstehende EM ist Gündogan optimistisch, aber realistisch. Er hofft, dass das Team die Menschen in Deutschland mitreissen kann. «Wenn wir es schaffen, die Menschen in diesem Land wieder zu faszinieren und für eine aussergewöhnliche Stimmung zu sorgen, wäre das für mich schon ein Erfolg.»